Risikofreudige Spielsucht - Der Spielermacher


Risiko 1975, die vergessene 2vs2 Variante oder Evolution? 

Weihnachten 1975
Meine Mutter hatte meinem Vater eine Schachtel Risiko, damals die deutsche Erstausgabe, unter den Baum gelegt. Ich war 7 Jahre alt und durfte es mit Mom und Dad spielen. Risiko ist so ziemlich das erste echte Brettspiel, nach Mensch-ärgere-Dich-Nicht, Schach und Dame was ich damals kannte.

Ich erinnere mich nur noch vage an zahlreiche Partien, Mom war kurz nach dem Baumfest wieder risikolos aus dem Spiel ausgestiegen, dafür spielten Papp un isch nun jeder immer zwei Farben auf einmal, aber abwechselnd.

Das ich mit diesem Hack, meine Mom zu ersetzten, die uns damals unbekannte 2vs2 Variante spielte, habe ich erst 42 Jahre später herausgefunden. Diese Variante gabs wohl schon seit 1940, war aber in den zahlreichen Versionen die ich von Risiko kenne, nie dabei. Neuerdings ist sie wieder dabei.

Was ich auch erst 43 Jahre später realisiere ist, dass mein junger alter Herr, (Mom und Papp waren beide nicht mal volljährig als ich geboren wurde) in mir einen Brettspieler ran zog. Aber so richtig erfolgreich war er damit zuerst nicht. Es vergingen vier Jahrzehnte, bis ich mir durch einen meiner Kunden angeregt, den eisernen Thon und dann StarCraft das Brettspiel kaufte. Und dies nur, weil ich schon ausdauernd und nahezu täglich 18 Jahre lang StarCraft das Computerspiel gespielt hatte.

Mein Vater war ein Spieler!
Und zwar ein krankhafter Spieler, der täglich seine Kohle in Geldspielautomaten stopfte. Wohlwissend, das er weniger als 60% davon höchsten wieder sehen würde. So ist es gesetzlich programmiert, leider war er auch biounlogisch ebenso programmiert.

Er spielte alles!
Billard, Skat, Poker und Backgammon am liebsten.
Und immer um riesige Summen!

Ich war mal bis Morgens mit ihm in einer Kneipe, da spielten die Markthändler untereinander beim Kaffee eine Partie, der Einsatz war 1.000 DM min pro Punkt und man kann beim Backgammon dreifach gewinnen, und dazu noch mit einem Würfel um den Multiplikator um 64 erhöhen. Das wären dann das 256 fache von 1.000.

So hoch ging es selbstverständlich nie, aber an dem Morgen ging es in der dritten und letzten Partie um nichts anderes als unseren Transporter, den Marktanhänger, inkl. ein paar tausend Euro an Waren in beiden.

Die beiden Zocker haben schneller Ihre Kippen aufgeraucht wie ein Gartenhäcklser. Nach jedem zweiten Spielzug zündete sich jeder in dem Raum eine neue Fluppe an. Ein zweiter Grundstein den er bei mir legte, ich bin heute entmilitarisierter militanter Nichtraucher.

Mein Dad gewann die Partie, und wir beide mussten somit an dem Nachmittag irgendwie zwei Kleintransporter heim bekommen. Meinen Führerschein hatte ich erst mit 24 gemacht, seit dem Tag hatte ich dann einen eigenen Marktstand, er mit Textilien und ich wie Fortuna es wollte, einen mit Eisenwaren aller Art.

Mein jungeralter Herr hatte immer mit Vollgas gelebt, und als er mit nur 55 einfach tot umfiel, wusste ich auch warum.

Er hatte es nicht mehr mit bekommen, war mein Spiel doch im Beruf meiner ersten Million hinterher zu jagen, um sie sofort wieder zu verprassen. Ich weiß noch wie er mich mal begleitete, als ich neue Hemden und Anzüge brauchte, und in 15 Minuten mehr Geld ausgab als er im Monat verdiente. Er erzählt überall, ich sei verrückt. Von wem ich das wohl habe.

Er hat leider nicht mehr mitbekommen, dass ich hier nun 1.400 Brettspiele stehen habe, dass ich knapp hundert Partien Risiko in nur 2 Jahren spielte, immer noch mit seiner Version von 1975. Auch das mit dem BrettspielCafe in Köln hätte ihm gefallen, er wäre wohl ein weiterer Stammgast den man bei der Inventur mitzählen müsste.

Mein Sohn hasst im übrigen Brettspiele!
"Pappa, warum haben wir viel mehr Spiele als der Spieleladen?!"

Seit Jahren hab ich es immer und immer wieder versucht und irgendwann aufgegeben.

Aber letzte Woche waren wir in Urlaub, hatten ein kleines MobileHome gemietet und hatten einen Regentag. In der Büchse gab es weder TV, noch Radio und wir hatten keinen Empfang fürs Internet. Also setzte sich Mika mit uns an den Tisch, ließ sich die Regeln von Quirkle erklären.

Und dann geschah es!

"Mika, wenn du deinen Stein nicht hierhin, sondern dort hinlegst, bekommst Du 5 statt nur 3 Punkte!"
Er antwortete: "Ja, aber, so wie ich ihn hingelegt habe, bekommst du keine 12 mehr!"

BÄMM!
Seitdem zockt er! Und zwar alles gern was irgendwie Interaktion hat! ;-)
Von wem er das wohl hat!?


Die 2vs2 Variante
Die Diskussion auf welche zahlreichen unterschiedlichen Weisen man Risiko spielen kann, konnte ich die ersten 15 Minuten nicht mal unterbrechen. Und dann wollte ich es auch noch so spielen wie es noch in keiner der am Tisch bekannten Varianten gespielt wurde.... IM 2er TEAM!
Aber wir fingen an, und meine Teampartnerin war auch gleich mal so teamfähig wie eine getretene Eselin. Ich war in Norddeutschland zu Besuch, da mag man Veränderungen eher sachte und bedacht.

Die einzige Regeländerung funktionierte nicht und ein gemeinsamer Sieg war nicht mal eine wahrnehmbare Option, welche auch nicht besprochen werden konnte. 
Nach ca. 50 gespielten 2vs2 war das ungewohnt. Mein Bündnispartner machte immer exakt das Gegenteil von dem was ich sagte und spielte unseren beiden Gegner damit in die Hände.

Alle Regeln bleiben in der 2vs2 Variante gleich, man spielt nur ohne Aufträge und in 2er Teams über kreuz sitzend zusammen, was das sonst völlig unausgeglichene Glücksspiel zu einem perfiden Taktikspielt und in der richtigen Runde zu einem absolut witzigen Kommunikationsspiel verändert.

Hach hatte das in der Woche davor wieder Spaß gemacht und für stundenlange Lacher gesorgt. Vor allem mal wieder durch meinen ewigen festen Bündnispartner Tina. Schon wieder zog sie, entgegen jeden meiner Einwände, ihrem Blutrausch bis zum letzten Pöppel durch und gewann völlig aussichtslos, rettete sich ganz knapp mit nur noch einem Pöppel ins Ziel. Ich war diesmal nur Nutznießer des gemeinsamen Teamsieges, denn die Würfel waren  nicht auf meiner Seite. Meine Funktion im Team beschränkte sich nur darauf, Tinas Rage mit eiskalter Vernunft nicht bremsen zu können. Ich hatte mir vor Spannnung fast die Fingernägel bis zu meinen Schultern abgefressen!

Aber hier unterm Reetdach lief es seit Generationen anders, hier gabs nie ein Team Mir blieb also nichts anderes, ich rieb mich auf, damit die Gegner nicht Südamerika und gleichzeitig auch noch ganz Afrika behielten. Ich kämpfte bis auf den entsprechenden einen wichtigen Pöppel alles nieder, aber mein Partner spazierte trotz Absprache dann lieber in Asien herum, weil es da "besser" sei. Alle Teambildungsmaßnahmen waren elendig verreckt.
Unsere Gegner bekamen so ihre zusätzlichen 8 Pöppel konnten auch noch eintauschen und ich wurde im Anschluss, mit allgemeiner Zustimmung der drei fast schon harmoniesüchtigen Mitspieler, fast vom Brett ausgelöscht..
Die Runde danach war ähnlich, ich kämpfte abermals 1vs3 und musste dringend meine Taktik ändern. Meine völlig verstreuten Reste machten immer noch nur ein einziges Land, um die einzige winzige Chance auf ein spätes eintauschen evtl. noch zu erleben.
Und so kam es dann auch. Zuerst mit meinen 5 Karten auf der Hand eingetauscht, allein gegen ein Verteidigungsbollwerk ein Land in Südamerika, und in Afrika erobert, so das der Gegner keine Zusatzeinheiten mehr bekam. Ich hatte den Mut von Rambo, den sicheren Tod vor Augen, aber das Würfelglück von 5 Jahren Mojo an einem Abend.
Dann kam zu meinem Glück auch noch deren Pech hinzu, und ich zog zu meinen beiden Restkarten einen Joker. Mein Spielpartner diskutierte immer noch Asien und ich konnte abermals tauschen, habe Südamerika und Afrika komplett erobert, und einen der beiden Spieler völlig vernichtet, bekam so seine drei Eintauschkarten und bot den "drei" Gegnern an aufzugeben, was sie auch annahmen und gratulierte meinem asiaaffinen Mitspieler zu SEINEM Sieg! 

Risiko Evolution - keine Variante sondern Neuland
Der Urvater der Legacy-Zerstöre-Spielmaterial-Spiele.

Risiko ist kein gutes Spiel, da es völlig unballanced und dazu extrem glücklastig ist. Kurz, wer Südamerika zu Beginn bekommt, gewinnt. Da kann auch Australien nichts dran ändern, und die anderen Mitspieler sind nur dekorative Zeitfresser.
Anders bei der 2vs2 Variante, in der über Kreuz zwei Teams zusammenspielen, verändert diese einzige Regeländerung das Spiel komplett. Trotz Südamerika und Australien.
Auch Risiko Evolution, ist immer noch Risiko, der Kampf durch Würfel bleibt gleich, das Ungleichgewicht der Kontinente ist zumindest zuerst unverändert, und doch hat der Designer, alles verbessert was es zu verbessern geht. Ich kann hier leider nicht ins Detail gehen, das würde euren Spaß beim auspacken und entdecken verringern.
Das Spiel hat einen Koffer, welcher einem Advendskalender ähnelt, immer wenn ein bestimmtest Ziel erreicht wurde, darf man ein Päckchen oder eine verklebtes Fach öffnen, das Spielmaterial darin kommt zum Spiel hinzu, ersetzt vorhandenes, man überklebt etwas, und muss sogar Spielmaterial zerrreissen.
Aber vor allem... So macht Risiko Spaß!

Aufkleber mit Bunkern, Atombomben, Munitionsmangel aufs Brett , seiner Fraktion unterschiedliche Eigenschaften oder ganz neue Regeln ins Anleitungsheft kleben. So hätte Risiko schon immer sein müssen.
Vorab, "das Hü" kann man nirgends mit hinnehmen!
In völlig neuer Runde, hat er mir kurz vor meinem Sieg, selbigen noch weggeschnappt, um danach im zweiten Spiel den Gastgeber, Sebastian sofort in seinem ersten Spielzug komplett vom Brett und aus dem Spiel zu werfen. Sebastian konnte duschen gehen. Sagt man so, machte er aber dann tatsächlich und räumte danach seine Bude auf während wir weiterspielten. 
Calf hatte Risiko vorher noch nicht so oft gespielt, und musste sich einem mehrstündigem Alphagaming-Ratschlag-Dauerbombardment aussetzen, hatte dadurch in der ersten Runde schon Sebastian in den USA paralysiert und in der zweiten Runde auch mal knapp die Chance auf einen Sieg.
Chris war in beiden Runden damit beschäftigt, Afrika "great again" zu machen, und bepflasterte den Kontinent mit Bodenschätzen.

In der zweiten Runde vergass ich meine Startarmeen zu nehmen und würfelte dann auch noch so mies wie Biggi den ganzen Abend über. Aber ich sah meine Chance auf einen Blitzsieg, aber wieder war "das Hü" noch vor mir dran.  Von dahinten aus der australischen Ecke wird er nicht bis nach Südamerika... doch, er setzte alles auf eine Karte und holte sich knapp den zweiten Sieg.
Mein London heißt bei Biggi nun für immer "Brexit" und die USA sind nun die "U.S. Lies". Das geht nun bei künftigen regelmäßigen Treffen noch weitere 13 Runden so, aber alle werden sich nun wohl auf "das Hü" stürzen! Sobald DasHü sich in Australien niederlässt, werden wir anderen vier Spieler uns vor den einzigen Ausgang setzen und die gesamte Welt für ihn blockieren. 

http://www.cliquenabend.de/spiele/870100-Risiko-Evolution.html