Mensch ärgere dich, oder was?

Prolog
Eines muss ich tatsächlich mal sagen: Seit ich in der Brettspielszene unterwegs bin, befremdet mich diese harte Abgrenzung der guten "Spieler" von den "Nicht-Spielern" innerhalb der Posts, Blogs und Vlogs - ein Kennzeichen: Ein guter Spieler muss Mensch ärgere dich nicht, Monopoly und Risiko doof finden. Zuletzt massiv aufgestossen ist mir das in einem Video der Spielamas, bei dem die 10 größten Spieleversager vorgestellt wurden und die beiden "Spiele-Experten" Monologe darüber abliessen, wie schlecht doch diese Spiele sind und dass die doofen Nichtspieler das irgendwie nicht raffen - ich als casual gamer habe den Beitrag nach dieser Serie von Schlägen gegen Typen wie mich nicht zu Ende geguckt (personal disclaimer: Ich weiß, ihr meintet es nur gut ...) - nun gut, ich habe mich damit abgefunden und gebe zu, dass ich mich gerade durch diese Art von Beiträgen immer mehr in die "casual"-Ecke einigele und mittlerweile bewusst einfacheren und familientauglichen Spielen den Vorzug gebe ...

Mensch ärgere dich nicht
Pachisi (Foto: Micha L. Rieser)
Natürlich ist Mensch ärgere dich nicht ein simples Roll-and-Move-Game ohne strategische Optionen und mit einem riesigen Glücksfaktor. Das liegt bereits in dessen Vorläufer, dem indischen Pachisi begründet, und sieht bei den diversen anderen Ablegern (Ludo, Eile mit Weile, ...) nicht viel anders aus. Aber: Genau das soll Mensch ärgere dich nicht aus sein - not more - und dafür wird und wurde es über die letzten 100 Jahre geliebt. Ich nehme es niemandem übel, wenn er es nicht mag und nicht sielen möchte, ich würde mir nur wünschen, es geschähe mit weniger Arroganz.

Ich selbst spiele Mensch ärgere dich nicht heute nur noch selten - meist beim Besuch bei der Oma oder als Trinkspiel in Wacken, seltener zu Hause. Ich kann mich allerdings an kaum eine Runde erinnern, bei der ich und meine Mitspieler keinen Spaß hatten. Und obwohl sich meine Regale in den letzten 1,5 Jahren zunehmend mit spannenden und sicher auch besseren Spielen füllen, ist es nie schwer, die kids von einer klassischen Runde Mensch ärgere dich nicht zu überzeugen. Ähnliches gilt für das Malefiz-Spiel und Fang den Hut, die sich schlussendlich ebenfalls von Mensch ärgere dich nicht bzw. Pachisi ableiten und den Ärgerfaktor nochmal erhöhen. Wenn man sich die Vielzahl an Hausregeln und Abwandlungen für das Spiel ansieht, die die Runde machen, geht es wohl nicht nur uns so.

DOG, Black DOG
Black DOG (Foto: Achim Raschka)
Ja, es gibt Möglichkeiten, Pachisi strategisch aufzuwerten - am einfachsten, indem man den Würfel und damit das Antriebsmittel durch eine weniger zufällige Alternative ersetzt. In Kanada geschah dies bereits vor etlichen Jahrzehnten durch Tock, bei dem ein klassisches französisches Kartenblatt als Antrieb eingesetzt wird. In den USA entwickelte sich daraufhin Sorry! als Pachisi-Kartenspiel mit eigenen Karten (würde ich gern mal spielen). Tock kam zudem irgendwann in den 1980ern in die Schweiz und wurde dort als Dog verbreitet und weiterentwickelt. Auch die Schweizer nutzen das klassische Kartenblatt für das Spiel, ziehen ihre Figuren auf dem Feld jedoch schweiztypisch gegen den Uhrzeigersinn.

2008 griff Schmidt Spiele das schweizerische Dog auf und kreierte ein eigenes Spiel mit dem gleichen Namen, nur mit Großbuchstaben: DOG. DOG sieht kaum anders aus als Mensch ärgere dich nicht, es fehlen nur die Würfel. Stattdessen gibt es eigens kreierten Kartensatz mit Zahlen- und Aktionskarten, der für die Bewegungen der Figuren eingesetzt wird. Dabei wird in 2er-Teams gespielt und jeder Spieler bekommt in jeder Runde die gleiche Anzahl Handkarten, die er dann einsetzen muss, um seine Figuren ins Haus zu bringen. Durch einen Kartentausch am Anfang jeder Runde kann zudem der Mitspieler unterstützt werden. Durch diese wenigen Regeländerungen wird DOG strategischer als die klassischen Pachisi-Varianten, behält jedoch durch die Karten einen Zufallsantrieb, der etwas abgebremst ist.

Doch bei DOG bleibt es nicht. Der Spieleautor Johannes Schmidauer-König entwickelte das Schmidt-DOG auf zweierlei Wegen weiter: Zum einen, indem er den Spielfiguren unterschiedliche Eigenschaften gab (DOG Royal) und zum anderen, indem er eine Drehscheibe und einen fiesen schwarzen Köter ins Spiel einführte (Black DOG). Letzteres ist bei uns am heimischen Spieltisch tatsächlich im Moment der Goldstandard, wenn wir eine Pachisi-Variante spielen möchten. Das Spiel ermöglicht es, fiese Aktionen durchzuführen und die Gegner teilweise richtig zu ärgern, bleibt jedoch weiter ein Spiel, bei dem man die zufällig erhaltenen Karten möglichst sinnvoll für sich selber und das eigene Team einsetzen muss.

Ein Fazit gibt es natürlich nicht - jeder muss und soll spielen, was ihm am besten gefällt. Persönlich finde ich es gut, dass zumindest in den Gruppen, mit denen ich spiele, die eingangs dargestellte harte Trennung kein wirkliches Thema ist und sich in meinem Umfeld auch Hardcore-Spieler befinden, die das Prinzip "Leben und leben lassen" tatsächlich leben - liegt vielleicht am Kölschen Grundgesetz.

Disskusion zum Artikel
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